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Hermann Müller (Foto: Wikipedia)
Hermann Müller, Naturforscher und Gymnasiallehrer aus Lippstadt, war 53 Jahre alt, als er auf seiner letzten Studienreise in die italienischen Alpen an einem Lungen-emphysem starb. Sein Hauptinteresse hatte den Wechselwirkungen zwischen Blüten und den sie bestäubenden Insekten gegolten. Die Ergebnisse von sechs ausge-dehnten Exkursionen in die Alpen in den Jahren 1874-79 hat er 1881 im Buch “Alpenblumen, ihre Befruchtung durch Insekten und ihre Anpassungen an dieselben.“ niedergeschrieben. Während Müller in der Einleitung zum Werk selbstkritisch einschätzt, „…mit der Ausführung unendlich weit hinter dem Erstrebten ……. zurückgeblieben zu sein….“, gelten seine Aufzeichnungen heute als Datensammlung von kaum schätzbarem Wert, da sie detailliert tausende Einzelbeobachtungen wiedergeben. Diese bieten einen einmaligen Blick in die Vergangenheit, der es möglich macht die heutige Vielfalt der Alpenpflanzen und -insekten und ihrer Beziehungen zueinander mit derjenigen der 1870er Jahre zu vergleichen.
Die Idee zu diesem Vergleich hatten 2015 Tiffany Knight und Walter Durka. Knight ist Humboldt-Professorin an der M.-Luther-Universität Halle und Leiterin der Forschungsgruppe Spatial Interaction Ecology am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und am German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv) in Leipzig; Dr. Durka leitet die AG Molekulare Ökologie am Department Biozönoseforschung des UFZ.
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Forschungsstation der ETH Zürich
Dank Müller´s akribischer Aufzeichnungen können wir heute gut nachvollziehen, wann, an welchen Orten und in welcher Höhe er welche Blütenbesuche registriert hatte. Eine erste Reise im Juni 2016 diente uns vorwiegend der Orientierung, in welchen Gebieten Müller aktiv war (Chur, Albula, Bernina, Stelvio). Im Juli 2017 reisten wir erneut nach Graubünden und konzentrierten uns diesmal auf den Albulapass, ein Gebiet, das auch von Müller besonders umfangreich bearbeitet worden war. Neben Knight und Durka zählten zum Team Prof. Laura Burkle von der Montana State University (USA), Amibeth Thompson (MLU/iDiv), Dr. Reinart Feldmann (UFZ) und Alban Pfeifer vom Büro für Ökol. Gutachten. Quartier fanden wir auf der Alp Weissenstein, heute eine Forschungsstation der ETH Zürich mit eigener Huftierhaltung, drei Kilometer unterhalb der Passhöhe; dort hatte schon Hermann Müller mehrfach Quartier bezogen.
Fünf Tage lang durchstreiften wir das Gebiet rund um die Alp und unternahmen Ausflüge zur Alp Fallo, nach Bergün, ins Val Tuors und nach Madulain (Ruine Guardaval) – immer auf der Suche nach von Müller untersuchten Pflanzenarten und ihren Blütenbesuchern. Neben Hymenopteren und Dipteren galt unsere Aufmerksamkeit natürlich auch den Lepidopteren. Diese besuchten Blüten so zahlreich, dass wir mit dem Aufschreiben kaum hinterher kamen. 60 Tagfalterarten standen am Ende auf der Liste; darunter viele Hochgebirgsarten, die uns “Flachlandtirolern“ fremd waren wie: Alpen-Gelbling, Berg-Weißling, Natterwurz-Perlmutterfalter, der Schillernde Mohrenfalter und weitere Erebien. Nach dieser Feldarbeit ist unser Respekt vor den Leistungen Müllers noch größer geworden; schier unglaublich sind die Distanzen, die er bergauf, bergab zu Fuß bewältigt hat und dabei auch noch die Zeit fand, aufzuschreiben, zu zeichnen, zu sammeln und zu präparieren! Leider verschollen ist die Insekten-Sammlung, die Müller angelegt hat, wie auch die Aufzeichnungen von seiner letzten, schicksalhaften Reise 1883.
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In den kommenden Monaten ist die Bestimmung der gesammelten Bienen, Hummeln und Fliegen geplant und parallel dazu der Abgleich mit Müllers historischen Daten: Sind es heute andere Insekten, die eine Pflanzenart bestäuben? Hat die Vielfalt der Bestäuber abgenommen und wenn ja, lässt sich ein Zusammenhang erkennen mit Änderungen der Landnutzung und/oder des Klimas? Schließlich: Was können wir daraus über die ökologische Bedeutung der Bestäuber und ihren Schutz lernen?
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Die Forschergruppe: Laura Burkle, Amibeth Thompson, Tiffany Knight, Alban Pfeifer, Walter Durka, Reinart Feldmann
Abschließend bedanken wir uns herzlich beim Amt für Natur und Umwelt, Chur und beim Nationalparkamt Stilfserjoch, Glorenza für die Ausnahmegenehmigungen sowie bei Monika Gurschler, Andreas Bühler und Dr. Joel Berard für die freundliche Aufnahme auf der Alp Weissenstein.