Von Martina Wilde |
Ein Wanderer und seine Herberge, besser kann eine Namensgebung die komplexen und hochinnovativen Systeme Tiefsee-Lander „MANSIO“ und Rover „VIATOR“ nicht beschreiben. Die eigentlich fast ein wenig altertümlich anmutenden Begriffe (die in Zeiten vieler „Jakobsweg“-Pilgerreisen wiederum auch aktuell klingen) führen allerdings in die Irre: Wir befinden uns mit diesem Zusammenspiel eines stationären und eines mobilen Systems am „Cutting Edge“ der autonomen Tiefsee-Geräte.
Dies ist das Langfristziel: Am Tiefseeboden angekommen öffnet sich nach dem Absetzen automatisch das Ausfahrtstor des Landers, der dort in der Garage befindliche Crawler nimmt seine „Wanderung“ zu wissenschaftlich interessanten Gebieten rund um den Lander auf und kehrt nach erfolgreichen Messungen durch hell leuchtende „Navigationsmarker“ geführt zurück, um im Lander seine Messdaten abzugeben und neue Energie zu tanken. Im Bild des Wanderers: Er speichert nach seiner Rückkehr in die Herberge seine Fotos, gönnt sich ein gehaltvolles Abendessen und bricht am nächsten Tag gestärkt und neugierig wieder auf, um das Umfeld mit all seinen Sinnen und seiner Kamera zu erkunden.
Um diesem visionären Langfristziel eines Tiefsee-Roboters, der sich autonom an seinem Lander aufladen kann, autonom auf wissenschaftliche Spurensuche geht und auch noch selbständig zurückfindet, schrittweise näher zu kommen, haben die Kollegen um Dr. Sascha Flögel vom GEOMAR das komplexe Zusammenspiel bereits mehrfach in bis zu 20 m Wassertiefe in der Ostsee getestet. Mit vielen Herausforderungen, was insbesondere die Sichtbarkeit der Navigationsmarker im trüben Wasser betraf. Nun sollte auf PS108 erstmals in der überwiegend sehr klaren arktischen Tiefsee bewiesen werden, dass das System auch hier erfolgreich autonom zu verschiedenen Wanderrouten aufbricht und heimkehrt.
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Der Crawler Viator verlässt seine Garage Mansio mit leichter Linkstendenz. Foto: Kiel 6000 ROV-Team GEOMAR
Von den Wissenschaftlern an Bord der PS108 beobachtet werden konnte das anspruchsvolle Szenario, da der MANSIO-VIATOR bereits vom fernsteuerbaren Tiefseeroboter ROV „KIEL 6000“ des GEOMAR am Tiefseeboden erwartet wurde und dessen Hochleistungs-3D-Kamera brillante Bilder in den Windenleitstand sendete. Insgesamt wurden drei Einsätze in der Tiefsee geplant, der erste scheiterte an einem Fehler in der Software, im zweiten Fall war das ROV bereits am Grund, aber der Start des MANSIO-VIATORS in die Tiefe musste im allerletzten Moment wegen zu hoher Wellen abgesagt werden. Also ruhten auf der dritten Testzeit – in der Nacht von Montag auf Dienstag (4./5.9.17) – alle Hoffnungen.
Wie bereits beim ersten Testversuch ging ein Raunen durch den Windenleitstand, als das ROV das Bild des MANSIO-VIATORS übertrug, wie er fast majestätisch mit seinen leuchtenden Navigationsmarkern im dunkelblau wirkenden Wasser vom „Himmel“ schwebte, wie ein LANDER das auf einem anderen Himmelskörper tun würde.
Danach musste mehr oder wenig geduldig abgewartet werden, bis die von den Erbauern und Programmierern des Systems eingestellten 120 Minuten bis zum autonomen Start abgelaufen waren. Als sich nach 120 Minuten die Ketten bewegten und der VIATOR langsam rückwärts die Rampe hinunter fuhr, wurde aus dem Raunen Applaus. Doch dieser verebbte bald, als offenkundig wurde, dass der VIATOR nicht gerade, sondern in einer Linkskurve rückwärts ausparkte.
Im Grunde wäre es sogar die elegantere Variante für das Verlassen einer Garage gewesen, aber es lag hier nur daran, dass die linke Kette langsamer lief als die rechte. Diese Tatsache führte dazu, dass der VIATOR die vier verschiedenen Abläufe, die man ihm als Aufgaben mitgegeben hatte, zwar durchführte, er aber durch die zu langsame linke Kette behindert, nicht da landete, wo er seinen nächsten Startpunkt brauchte. Glücklicherweise war das ROV „KIEL6000“, das hier nicht nur als „Gods Eye View“ diente, sondern sich auch als sehr handlungsfähiger Gefährte erwies, zur Stelle und setzte den VIATOR mit seinem Roboterarm kurzerhand auf die richtige nächste Position.
Letztendlich konnte dem System vom Kontrollraum an Bord der POLARSTERN auch noch erstmalig ferngesteuert ein „Reset“ gesendet werden und der VIATOR fand daraufhin in der Nacht gegen 4 Uhr selbständig in seine Herberge zurück.
Was genau die Fehlfunktion der linken Kette ausgelöst hat, das werden die Experten zuhause im GEOMAR untersuchen, mittlerweile freuen sie sich aber – nach ursprünglicher Enttäuschung über den nicht ganz gelungenen Parcours – darüber, dass der VIATOR seine Intelligenz eindeutig beweisen konnte: Die Auswertungen der verschiedenen Datenquellen zeigen – mehr als nur die übertragenen Bilder- , dass er seinen „Füßen“ genau die Wanderrouten „befohlen“ hat, die man ihm aufgetragen hatte.
So kam der Wanderer in seiner Herberge nach seinem 1200 m hohen Aufstieg am 5.9.17 gegen 8 Uhr wieder an die Wasseroberfläche. Für den MANSIO-VIATOR geht es jetzt – wegen des angesagten Starkwindes eilig aber gut vertäut – zurück Richtung Tromsö und dann weiter ins heimatliche Kiel, um dort für zukünftige Explorationsmissionen präpariert zu werden.
Das ehrgeizige Langfristziel immer vor Augen sind wir alle stolz auf die ersten Routen des „Wanderers durch die Tiefsee“!
Es grüßt nach einer Nacht bei Windstärke 8 von Bord der POLARSTERN
Martina Wilde
Koordinatorin der Helmholtz-Allianz ROBEX
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