Dr. Ragandeep Singh Sidhu ist von der Speicherringphysik begeistert. Er hat gerade seine Promotion an der Universität Heidelberg abgeschlossen, für die er die Eigenschaften von „nackten“ 205-Thallium-Kernen am Experimentier-Speicherring ESR bei GSI/FAIR untersucht hat. Die Eigenschaften der Kerne enthüllten Geheimnisse über die Leuchtkraft der Sonne und die Häufigkeit der chemischen Elemente im Universum. In Zukunft wird er weiter mit Speicherringen arbeiten und plant Experimente am CRYRING für die Universität von Edinburgh, wo er seinen Postdoc antritt. Er bleibt parallel als Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Kernphysik und bei GSI/FAIR. Aber warum hat er sich gerade für Deutschland und GSI/FAIR entschieden? Das Interview führte Lena Weitz.
Warum hast du dich entschieden, in Deutschland zu promovieren?
Deutschland ist aus meiner Sicht bei Grundlagenforschung sehr stark aufgestellt. Wenn man sich die Zahl der Max-Planck-Institute, Helmholtz-Zentren und Nobelpreise anschaut, wird das ganz deutlich. Vor vier Jahren habe ich über meinen damaligen Professor in Indien von der Promotionsstelle bei GSI/FAIR bzw. der Universität Heidelberg erfahren und für mich war das eine einmalige Chance. Ein Studium an der Universität Heidelberg ist aus meiner Sicht besser als am MIT – die bestmögliche Bildung, aber ohne die hohen Studiengebühren. Außerdem gehört die Universität Heidelberg zu den 50 besten Universitäten der Welt und genießt damit ein hohes Ansehen. Dass ich dort promovieren durfte, ist für mich eine große Ehre.

„Die Experimente, die hier durchgeführt werden können, sind nirgendwo sonst auf der Welt möglich,“ sagt Ragandeep. © L. Weitz/GSI/FAIR
Welche Rolle hat GSI/FAIR bei deiner Entscheidung gespielt?
Von GSI und FAIR habe ich während meines Studiums an der Panjab Universität schon viel gehört. Unsere Professor*innen haben von den Experimente hier gesprochen, ich habe viele wissenschaftliche Arbeiten von GSI/FAIR-Autor*innen gelesen. Auch das FAIR-Projekt ist sehr populär in Indien, daran sind wir ja auch beteiligt. GSI/FAIR ist einfach eines der größten und bedeutendsten Forschungszentren in der Kernphysik. Die Experimente, die hier durchgeführt werden können, sind nirgendwo sonst auf der Welt möglich.
Worum ging es in deiner Doktorarbeit, die du am Experimentier-Speicherring ESR geschrieben hast?
Zusammen mit der Forschungsgruppe von Professor Yuri A. Litvinov und Professor Klaus Blaum haben wir den gebundenen Beta-Zerfall von „nackten“ 205-Thalium-Ionen untersucht – ein Experiment, das Kernphysiker*innen seit mehr als 30 Jahren durchführen möchten, da es viele wichtige Fragen beantwortet. Dank der Weiterentwicklung des Beschleunigers und der einzigartigen Anlage, die bei GSI zur Verfügung steht, konnte das Experiment im vergangenen Jahr während der Corona-Pandemie durchgeführt werden. Es enthüllt einerseits die Geheimnisse über die Häufigkeit der Elemente im Universum. Andererseits ist die Messung von zentraler Bedeutung für die Untersuchung des solaren Neutrinoflusses, mit der die durchschnittliche Leuchtkraft der Sonne in den letzten vier Millionen Jahren bestimmt werden soll.
Was gefällt dir am meisten an deiner Arbeit?
Ich finde es faszinierend, weil wir neue physikalische Erkenntnisse gewinnen. Ich liebe die Herausforderung und es ist toll, neuen Ideen nachzugehen. Außerdem ist die Arbeit mit einzigartigen Speicherringen wie dem ESR und dem CRYRING etwas ganz Besonderes. Außerdem war ich zweimal DAAD-Gastwissenschaftler am Speicherring CSRe (Cooler Storage Ring experimental) in Lanzhou, China.

© L. Weitz/GSI/FAIR
Ab Oktober bist du als Postdoc an der Universität Edinburgh und wirst in dieser Rolle den Detektor CARME (The CRYRING Array for Reaction Measurements) betreuen, einen In-Kind-Beitrag zu FAIR, der am CRYRING aufgebaut ist. Was ist das Besondere an CARME?
Die Detektorkammer ist direkt im Ultrahochvakuum des CRYRING-Speicherrings installiert. Mit diesem Projekt wollen wir verschiedene Reaktionen der nuklearen Astrophysik untersuchen. Für das nächste und übernächste Jahr planen wir mehrere Experimente mit CARME. So wollen wir zum Beispiel die Reaktionen von Phosphorkernen mit einem Wasserstofftarget untersuchen, um verschiedene astrophysikalische Fragen zu klären. Für mich ist das eine tolle Aufgabe: Ich kann mein Fachwissen über Speicherringe einbringen und erweitern, indem ich alle zwei Monate für eine Woche zur GSI/FAIR komme. Gleichzeitig warten neue Herausforderungen an der Universität Edinburgh mit dem LUNA-Projekt (Laboratory for Underground Nuclear Physics) auf mich. Dank des GET_INvolved Programms von GSI/FAIR sind diese Kooperationen möglich.
Worauf freust du dich bei deinem Umzug nach Großbritannien?
Ich freue mich auf die neuen Möglichkeiten. Ich werde mein Netzwerk erweitern können, da ich für das LUNA-Projekt auch nach Gran Sasso in Italien fahren werde. Außerdem werde ich mit ISOLDE am CERN, dem TRIUMF-Forschungszentrum in Kanada zusammenarbeiten, und ich bin sicher, dass ich viel Neues lernen werde.
Aus welchen Gründen – neben den wissenschaftlichen Möglichkeiten – würdest du rückblickend anderen jungen Wissenschaftler*innen empfehlen, zu GSI/FAIR zu kommen?
Es ist sehr international hier, auch wegen der vielen GET_INvolved-Studierenden. Es ist toll, auf diese Weise viele Leute kennenzulernen! Mir gefällt das Wetter hier und ich fahre gerne nach Frankfurt und besuche dort Freunde. Auch die Zusammenarbeit mit meinen Betreuern Professor Yuri Litvinov und Professor Klaus Blaum ist sehr gut. Sie haben mich immer motiviert und viele neue Ideen eingebracht. Das ist eine tolle Unterstützung! Ich habe das Gefühl, dass junge Wissenschaftler hier wirklich gefördert werden.
Vielen Dank für das Interview und alles Gute für dich!