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Einblicke in die meeresgeologische Arbeit während PS104

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Beprobung der Sedimentkerne im großen Geolabor. Foto: Johann Klages

Beprobung der Sedimentkerne im großen Geolabor. Foto: Johann Klages

Von Johann Klages | Heute soll es einige Einblicke in die personalstärkste Arbeitsgruppe an Bord – die Meeresgeologie – geben. Was ist unsere Grundmotivation, die derzeitige Polarstern-Expedition PS104 zum Erfolg werden zu lassen? Der große westantarktische Eisschild nimmt auf unserer Erde eine außerordentliche Stellung ein. In Form von Eis speichert er so viel Wasser, dass damit der globale Meeresspiegel um 3-5 m angehoben werden könnte. Diese Tatsache allein ist jedoch noch nicht besonders erwähnenswert. Da aber zusätzlich ca. 80% dieses dicken Eispanzers bis weit unterhalb des heutigen Meeresspiegels auf dem antarktischen Kontinent aufliegen, sind die Ränder des Eisschildes, an denen das Eis über ausgedehnte Schelfeise und abbrechenden Tafeleisbergen in den Ozean abfließt, besonders angreifbar. Satellitenaufnahmen der letzten Jahrzehnte haben uns gezeigt, dass der westantarktische Eisschild bereits jetzt mehr Masse verliert, als er durch Schneefall hinzu gewinnt und sich dieser Trend zu verstärken scheint. So hat er sich zum bedeutendsten „Wackelkandidaten“ für Vorhersagen von globalem Meeresspiegelanstieg entwickelt. Niemand weiß also genau, wie sich dieser von Natur aus instabile Eisschild in Zukunft wirklich verhalten und wie er in direkter Folge die Lage unserer Küstenregionen – in denen über 50% der Weltbevölkerung leben – verändern wird. Die Pine Island Bay, in der wir uns gerade befinden, ist die Region mit den größten Änderungsraten. Der westantarktische Eisschild hat einen der größten Massenverluste weltweit.

Das MeBo wird am Heck Polarsterns zu Wasser gelassen. Foto: Thomas Ronge

Das MeBo wird am Heck Polarsterns zu Wasser gelassen. Foto: Thomas Ronge

Die Meeresgeologen möchten versuchen, diese derzeitigen rapiden Änderungen in einen langzeitlichen Kontext zu setzen, um herauszufinden, ob diese Änderungen wirklich einmalig sind oder in der Vergangenheit eventuell schon einmal in ähnlicher Weise vorgekommen sind. Unsere Definition von Vergangenheit weicht dabei jedoch etwas vom allgemeinen gültigen Gebrauch ab. Auf dieser Expedition gehen wir auf eine Zeitreise die von Tausenden Jahren bis zu mehreren Millionen Jahren zurückreichen könnte. In diesem Zeitraum war der Kontinent Antarktika und sein Eisschild immer wieder einer hohen Dynamik ausgesetzt, vor allem während diverser Warm- und Kaltphasen, in denen die großen Gletscher vorgestoßen und wieder zurückgewichen sind. Um diese Änderungen genau zu untersuchen und somit sicht- und begreifbar zu machen, nutzen wir verschiedene Methoden, die tief in den Meeresboden eindringen können. Der Meeresboden auf dem Kontinentalschelf des Amundsenmeeres ist dafür ein sehr wertvolles Archiv, da hier Klima- und Eisschildänderungen unterschiedlichster Erdzeitalter gespeichert sind. Da man diese sehr abgelegene Region aber nur während des sehr kurzen antarktischen Sommers und auch nur mit großem logistischen Aufwand erreichen kann, gibt es noch viele weiße Flecken auf der meeresgeologischen Forschungslandkarte. Bislang blieben uns allerdings diejenigen Zeiträume größtenteils verborgen, die über das Maximum der letzten Kaltzeit – also den letzten maximalen Gletschervorstoß vor etwa 20.000 Jahren – hinausgehen. Da der Eisschild zu dieser Zeit große Teile des heute von Ozean bedeckten Schelfgebietes bedeckt hat und den Boden durch die damalige Eisauflast stark komprimierte, ist es genau diese extrem harte Sedimentschicht, die für unsere konventionellen Beprobungsmethoden meistens undurchdringbar bleibt. Aus diesem Grund haben wir das Meeresboden-Bohrgerät MeBo70 vom Zentrum für Marine

Autor Johann. Foto: Heiko Pälike

Autor Johann. Foto: Heiko Pälike

Umweltwissenschaften (MARUM) in Bremen an Bord, das bis zu einer Tiefe von 70 m in den Meeresboden bohren kann. Mit Hilfe dieses weltweit einmaligen Gerätes hoffen wir, direkte und detaillierte Einblicke in geologische Zeiträume zu erhalten, die bisher der weltweiten Forschungsgemeinde in diesem Gebiet verborgen geblieben sind. Aber genau diese Zeiträume könnten es letztendlich sein, uns ein sehr viel besseres Verständnis der vergangenen Dynamik des westantarktischen Eisschildes zu geben, die wiederum unentbehrlich sind für präzisere Zukunftsprognosen dieses bisherigen „Wackelkandidaten“. Und tatsächlich – neue und interessante Entdeckungen unserer derzeitigen Reise haben nicht lange auf sich warten lassen …

 

 

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