Neumayer Runway: Die umgebende Szenerie bietet ein sicheres Indiz, angekommen zu sein. Menschen begrüßen uns, nehmen unser Gepäck entgegen. Außen: Händeschütteln, Umarmungen, Stimmen. Innen: Stille. Erstaunlich warm hier, erstaunlich hell. Blendend; die vom Schnee reflektierte Sonne. Trotz des bedeckten Himmels. Erstaunlich auch: Hier zu sein. An diesem bisherigen Nicht-Ort. Der im Wissen fest verankert, in der Vorstellung fast unmöglich war. Alle Karten, alle Filme und Fotos, alle Beschreibungen und Berichte, alles Wissen lässt einen die Tatsache, dass es diesen Ort wirklich gibt, doch nicht begreifen. Eine Hand auf meiner Schulter beendet die Überlegungen, eine andere nimmt mein Gepäck. Auf geht`s, wir sind ja nicht zum Träumen hier.


Mount Neumayer: Die Station wirkt überraschend groß. Viel größer als ich sie mir vorgestellt habe und steht auf einem Hügel. Der Schnee, den der zumeist aus Osten kommende Wind bringt und der hier, aufgewirbelt und gegen die Fassade geworfen, zu Boden fällt, ließ ihn über die Jahre hinweg anwachsen. Aber alles ist relativ. Gegen die Weite des Eises, die gewaltigen Dimensionen der

Das Foto mag vielleicht nicht besonders schön sein, zeigt aber die Eisberge im Norden. Foto: Tim Heitland
Landschaft, wirkt sie klein. An klaren Tagen sieht man im Südosten den Watzmann, im Südwesten den Olymp, kontinentale Erhebungen auf dem Halvfarryggen und dem Sørásen, in ca. 50 beziehungsweise 80 Kilometern Entfernung. Und dazwischen: Nichts. Nichts was dem Auge halt, dem Gehirn einen Maßstab geben könnte. Im Norden treiben die Eisberge, ca. 20 Kilometer von uns entfernt und zum Greifen nah. Auf dem Weg dorthin steht in 6 Kilometern Entfernung die südafrikanische Sommerstation, unsere E-Base. Ein vermeintlicher Katzensprung.
Sommersaison: Die Sommersaison dient, wie der gesamte Stationsbetrieb, in erster Linie der Erhebung wissenschaftlicher Daten. Die bestehenden Messreihen der Atmosphärenchemie, Meteorologie und Geophysik werden fortgesetzt. Wie verändern sich die Aerosolzusammensetzung und -konzentration in der Atmosphäre? Wie verändert sich das lokale Klima, mit welchen globalen Auswirkungen? Wie verändert sich das Erdmagnetfeld? Hinzu kommen die Außenarbeiten. Die Geophysik wartet im Rahmen ihrer jährlichen Routinetraversen (mehrtägigen Fahrten zu entfernteren Zielen) die Messstationen an Watzmann und Olymp. Hier werden mit Seismometern Erdbeben aufgezeichnet und in Echtzeit an die Neumayer-Station III gesendet. Die Meteorologie wartet und erhöht die, 19 km südwestlich der seismologischen Messstation auf dem Olymp gelegene, automatische Wetterstation. Feldexperimente werden auf- und abgebaut. Bei jedem Wetter. Versteht sich.

Weiß, kalt, stürmisch und schön: die Antarktis. Schwarz, rot und fleißig: die Geophysiker. Foto: Tim Heitland
Die Apparate und Instrumente bedürfen bei diesen Bedingungen, genau wie die Station, der ständigen Pflege. Auch dazu dient die Sommersaison. Ein ganzes Team von Technikern ist vor Ort, die Station wird mittels ihrer hydraulischen Stützen erhöht. Baumassnahmen erfolgen. Der Fuhrpark wird gewartet. All das geht natürlich nicht ohne Material, und zumindest auf Dauer, auch nicht ohne Nahrungsmittel. Beides bringen die Versorgungsschiffe, deren Anlanden ein Ereignis, deren Entladung eine echte Aufgabe für Technik und Logistik ist. Neben dem deutschen Forschungseisbrecher Polarstern belieferten uns in dieser Saison auch die südafrikanische Agulhas und die dänische Mary Arctica.
Klicke, um die Slideshow anzusehen.Die Container werden auf Schlitten verladen und mit Pistenbullies zur Station gebracht. Die gelieferten Güter sind aber nur dann von Nutzen, wenn man sie auch wiederfindet. Also: Inventarisieren, Stauen, Einräumen. Möglichst am richtigen Ort. Schraubenmuttern im Kühlraum und Salat im Gefahrstofflager sind zwar durchaus lustig, aber sinnlos.


Die Arbeit ist vielfältig und interessant und insbesondere auch durch die gleichgesinnten, motivierten Teamkollegen eine Freude. Die Station ist wunderbar durchdacht und sinnvoll. Ihr Betreiben aber aufwändig, die Zeit daher umso wertvoller. Gut, dass die Tage lang sind. Durch die während des Polartages beständig scheinende Sonne, im Prinzip so lang wie man möchte. Bis zum 27 Januar, an dem die Sonne spektakulär unter Beweis gestellt hat, dass sie es doch noch kann. Das Untergehen.
Das eigentlich Besondere bleibt aber, was uns umgibt. Die Landschaft. Die Tierwelt. Und so nutzen wir jede Gelegenheit sie zu erkunden. Denn genau hier, in dieser gewaltigen Schönheit wird aus dem Nicht-Ort erst Realität, aus dem Wissen ein Begreifen. Jetzt sind wir nicht mehr nur angekommen, jetzt sind wir wirklich da.
Klicke, um die Slideshow anzusehen.Beste Grüße vom 37. Überwinterteam