Von Axel Behrendt |
Das Schiff nähert sich rasant dem Heimathafen, Kisten werden mit Geräten gefüllt, Labore gereinigt und die Ausrüstung in Container verstaut. Das Verankerungsprogramm der Polarstern-Expedition PS109 ist beendet, und das mit großem Erfolg! Höchste Zeit für einen Einblick in die Arbeit der Ozeanografen auf dieser spannenden Reise.
Die großen Gletscher in Nordgrönland haben in den letzten Jahren stark an Masse verloren. Das gilt auch für die beiden wichtigsten Eisströme im Zielgebiet von PS109, den „79 Nord“ Gletscher und den „Zachariæ Isstrøm“ Gletscher. Schiebt sich ein solcher Eisstrom in Richtung Küste und von dort aus auf das Meer, bildet er oft gigantische schwimmende Eisplatten: Ein „Eisschelf“ entsteht. Das Schelf des 79 Nord Gletschers ist das größte in der Nordhemisphäre, und Expeditionen in diese verlassene Gegend haben jüngst gezeigt, dass dieses hauptsächlich an seiner Unterseite schmilzt. Als Verdächtiger konnte in Untersuchungen schnell das warme Atlantikwasser ausgemacht werden, welches mit dem Westspitzbergenstrom an Norwegen vorbei in die Arktis fließt. Ein Teil davon erreicht die entlegenen Regionen Nordostgrönlands und frisst hier die Eisschelfe von unten her an. Darin lauert eine Gefahr: Bricht das Eisschelf eines Gletschers weg, beschleunigt sich auch der Gletscherschwund an Land. Das hat Auswirkungen auf den steigenden Meeresspiegel.
Janin Schaffer, Gruppenleiterin der Ozeanografie auf dieser Expedition, ging schon in ihrer kürzlich eingereichten Doktorarbeit den spannenden Fragen nach: Auf welchem Weg erreicht das Atlantikwasser das Eisschelf? Wie ist es an den Schmelzprozessen beteiligt? Und gibt es Trends in der Menge oder Temperatur dieser Wassermassen? Zur Beantwortung dieser Fragen nutzt sie u.a. Daten aus dem Verankerungsprogramm.
Eine ozeanografische Verankerung ist im Prinzip nichts anderes als ein langes Seil, welches mit einem Gewicht am Meeresboden fixiert, und mittels Auftriebskörpern senkrecht im Wasser gehalten wird. Am Verankerungsseil sind über verschiedene Tiefen Messgeräte für z.B. Wassertemperatur, Salzgehalt, Strömungsgeschwindigkeit und Sauerstoffgehalt befestigt. Nach 1-2 Jahren wird die Verankerung geborgen, um an die wertvollen Daten zu gelangen. Dazu wird sie präzise geortet und über ein akustisches Signal von Bord des Schiffes „ausgelöst“. Über dem Ankerstein öffnet sich der sogenannte „Releaser“, und das Seil mitsamt den Messgeräten und Auftriebskörpern treibt an die Meeresoberfläche. Hier kann es vom Schiff aus geborgen werden. Klingt einfach, ist aber mit großem Aufwand und dem Einsatz vieler helfender Hände verbunden.
Auf Expedition PS109 konnten 5 neue Verankerungen ausgelegt und 11 weitere geborgen werden, die aus früheren Expeditionen stammen. Ihre Positionen waren weise gewählt. Die Verankerungen in den Meeresgräben auf dem Kontinentalsockel sollen klären helfen, welche Wege das Atlantikwasser nimmt und um welche Mengen es sich handelt. Die Verankerungen direkt vor der Kante des Eisschelfs hingegen werden wichtige Informationen darüber liefern, wie genau das Atlantikwasser unter das Eisschelf gelangt und in welchem Maß es an Schmelzprozessen beteiligt ist. Mit einer Ausnahme haben alle geborgenen Geräte erfolgreich aufgezeichnet. Ihre Daten werden eine Geschichte erzählen, eine spannende oder vielleicht sogar eine dramatische…..