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Sternforscher: Auf den Spuren unserer Elemente

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Friedrich-Karl Thielemann erhält für seine Forschungen an der Schnittstelle zwischen Kernphysik und Astronomie die Karl-Schwarzschild-Medaille, den renommiertesten Preis in Deutschland auf dem Gebiet der Astronomie und Astrophysik. Seit 2018 ist Thielemann nach seiner Emeritierung Gastwissenschaftler bei GSI und setzt seine preisgekrönte Forschung zum Ursprung der Elemente im Universum in Zusammenarbeit mit den Theoriekollegen fort. Diese Arbeiten sind von großer Bedeutung für das zukünftige Experimentierprogramm an FAIR und auch schon für das laufende FAIR-Phase-0-Programm.

Sie haben dieses Jahr die Karl-Schwarzschild-Medaille verliehen bekommen. Was bedeutet das für Sie?

Die Auszeichnung ist natürlich eine große Ehre für mich! Auf der Liste der vorherigen Preisträger stehen neun Nobelpreisträger. Ich komme ursprünglich aus der Kernphysik und habe an der TU Darmstadt promoviert. Im Laufe meiner Karriere habe ich mich zunehmend mit Astrophysik beschäftigt. Deshalb ist die Karl-Schwarzschild-Medaille der Astronomischen Gesellschaft jetzt eine besondere Freude.

 

Welche Entdeckung würden Sie als persönliches Highlight ihrer Karriere bezeichnen?

Im Prinzip bin ich auf alle Erkenntnisse und Arbeiten stolz, aber gemessen an der Zitierhäufigkeit meiner Veröffentlichungen könnte man die Ergebnisse rund um die Erforschung der Typ-Ia-Supernovae herausgreifen. Gemeinsam mit japanischen Kollegen haben wir die Elemententstehung in diesen Supernovae vorausgesagt. Neben der Erkenntnis, dass in diesem Prozess zwei Drittel des Eisens entsteht, das heute in unserem Sonnensystem (und unserer Galaxie) zu finden ist, spielt dieser Typ von Supernovae auch eine wichtige Rolle für die Hubble-Konstante und damit die Expansion des Universums. Das ist möglich, da die Leuchtkraft dieser Supernovae als allgemeingültiges Maß zur Entfernungsbestimmung in der Kosmologie benutzt werden kann.

Persönlich stolz bin ich außerdem darauf, dass mein Team und ich 1999 als Erste Vorhersagen über die Entstehung von schweren Elementen bei der Verschmelzung von Neutronensternen gemacht haben und wir zuletzt der Antwort näher gekommen sind wann massereiche Sterne als Kernkollaps-Supernovae oder als schwarzes Loch enden. Grundsätzlich freue ich mich, dass wir allgemein den Kreis vom kernphysikalischen Input und dessen Einsatz in astrophysikalische Simulationen bis hin zum Vergleich mit astronomischen Beobachtungen schließen konnten.

 

Sie haben gerade zusammen mit internationalen Kolleginnen und Kollegen einen Übersichtsartikel in Reviews of Modern Physics über den r-Prozess veröffentlicht, der eine entscheidende Rolle bei der Synthese der schwersten Elemente im Universum spielt. Was sehen Sie, wenn Sie in einer klaren Sommernacht den Sternenhimmel anschauen?

Tatsächlich wohne ich an einem Ort mit geringer Lichtverschmutzung, da freue ich mich, wenn ich den Streifen der Milchstraße an klaren Tagen sehen kann. Meine Frau, die regelmäßig Informationen zum Sternhimmel liest, sagt mir auch welche Planeten gerade wo zu erkennen sind. Aber eigentlich bin ich keiner von denen, die sich schon als Kind für Sterne begeisterten. Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen und man konnte oft nicht erkennen, ob der Himmel im Westen wegen des Sonnenuntergangs oder wegen eines Abstichs der Stahlindustrie rot war. Ich bin aus anderen Gründen zur Astrophysik gekommen. An der TU Darmstadt war in der theoretischen Kernphysik die Gruppe um E. Hilf und W. Hillebrandt besonders aktiv, hatte viele internationale Besucher und war geprägt durch ein ausgezeichnetes Gruppenklima. Das überzeugte mich und deshalb promovierte ich in dieser Gruppe. Mein astrophysikalisches Wissen habe ich mir dann kontinuierlich angeeignet, speziell als ich auch an der Harvard University Astrophysikvorlesungen gehalten habe. Somit frage ich mich heute hauptsächlich wie, wo und wann die chemischen Elemente im Universum, in unserer Galaxie bzw. in Sternen und Sternexplosionen entstanden sind. Die letzte umfassende Untersuchung für die schweren Elemente ist der von Ihnen angesprochene Übersichtsartikel in Reviews of Modern Physics. Dabei sind übrigens neben mir noch zwei weitere GSI-Kollegen unter den acht Autorinnen und Autoren. Auch die beiden experimentellen Mitautoren haben enge Beziehungen zu GSI.

 

Welche Möglichkeiten bietet Ihnen GSI als Gastwissenschaftler?

Mit GSI bin ich schon sehr lang eng verbunden. Schon während meines Studiums habe ich Zeit auf dem Campus verbracht und für meine Diplomarbeit und die Anfänge der Doktorarbeit die GSI-Rechner benutzt. 2009 kam ich dann als Humboldt-Preisträger wieder für längere Zeit zurück nach Darmstadt und verbringe seither regelmäßig Zeit in meiner alten Studienstadt. GSI bietet mir vor allem ein sehr bereicherndes Umfeld. Meine Kolleginnen und Kollegen in der dortigen Theorieabteilung kenne ich gut und wir arbeiten eng zusammen. Karlheinz Langanke kenne ich schon aus meiner Studienzeit, als er noch in Münster war, und wir haben danach oft zusammengearbeitet. Ein besonderes Anliegen war uns dabei auch die Förderung von hochtalentierten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Gabriel Martinez-Pinedo und Almudena Arcones waren beide zuerst im Team von Karlheinz und dann in meiner Basler Arbeitsgruppe, bevor sie ihre Stellen bei GSI und an der TU Darmstadt erhielten. Andreas Bauswein und Stephan Typel decken für mich wichtige Arbeitsgebiete wie Neutronensternverschmelzungen und die Zustandsgleichung von Materie bei höchsten Dichten ab. Mit den experimentellen Kollegen gibt es ebenfalls regen Austausch. Auch wenn das aufgrund von Corona zurzeit eingeschränkt ist, bietet GSI die Möglichkeit eines engen und direkten Wissensaustauschs mit Kolleginnen und Kollegen, die auf den gleichen und verwandten Gebieten arbeiten. Das motiviert uns alle! Und natürlich sind auch die Experimente, die bei GSI, z.B. an den Speicherringen, durchgeführt werden, wesentlich für meine Arbeit.

 

Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die zukünftige Anlage FAIR für Sie?

Mit FAIR werden exotische Kerne erzeugt werden, die noch viel weiter von der Stabilität entfernt sind als bisher erreichbar. Und mit dem CBM-Experiment (Compressed Baryonic Matter) kann die Zustandsgleichung bei extrem hohen Dichten getestet werden. Das bedeutet, sobald FAIR läuft, gibt es für uns außerordentlich viel neuen spannenden Input, der sicherlich zu einem tieferen Verständnis des Universums und der darin ablaufenden Prozesse führen wird.

 

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Ich habe noch viele offene Forschungsfragen, z.B. zu Kernkollaps-Supernovae. Akut drängt mich aber vor allem die Frage nach dem Entstehungsort der schwersten Elemente. Lange dachte man, dass sie vor allem in Supernovae entstünden. Jetzt wissen wir, dass die Verschmelzung von Neutronensternen eine große Rolle spielt. Aber auch damit lassen sich die Häufigkeitsverteilungen von Elementen im Universum nicht voll erklären. Da fehlt noch etwas, eine andere Quelle. Sehr alte Sterne mit einem noch geringen Anteil von Eisen und anderen schweren Elementen sind da besonders interessant. Sie stammen aus den frühesten Phasen der Galaxienentwicklung und sind wahrscheinlich nur durch einen einzigen „Elementproduktions-Event“ beeinflusst. Ihr „Pattern“, also ihre Häufigkeitsverteilung von Elementen, könnte uns daher einen Hinweis auf diese Quelle geben. Auch hier erwarte ich von FAIR entscheidende kernphysikalische Beiträge.


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