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Frühling in Antarktika …

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Servus zusammen …

der Monat Oktober begann gleich mit recht stürmischen Wetter. Aus diesem Grunde entschloss ich mich die medizinischen Studie eine Woche vorzuziehen um die Schlechtwetterphase optimal zu nutzen. Diesmal gab es aber sowohl zusätzliche Blutproben für die NASA als auch mehr psychologische Fragebögen und Computertests bezüglich der räumlichen Wahrnehmung. Insgesamt war ich dreieinhalb Tage mit dem Abnehmen der Blutproben, Pipettieren, Einfrieren der Proben fast aller Körperflüssigkeiten und dem Hochladen sämtlicher Daten (EKG, Actigraphen, Computertests) beschäftigt.

Danach wollte ich gleich mit der großen „Steri-Runde“ weitermachen … alle 6 Monate werden alle chirurgischen Instrumente gereinigt, bei Bedarf geölt, anschließend wieder eingepackt und frisch sterilisiert. So war jedenfalls der Plan. Nur leider verbraucht der Dampf-Sterilisator doch einiges an Wasser und aufgrund des schlechten Wetters konnte die Schneeschmelze nicht so regelmäßig befüllt werden. Wegen drohender Wasserknappheit musste ich deswegen die große Steri-Runde nach einem Tag pausieren. Auch das lernt man in Antarktika … der Zeitpunkt und Erfolg geplanter Arbeiten wird von der Natur mitbestimmt und hängt nicht nur vom Wunschdenken eines Menschen ab. In Antarktika bestimmen die Naturgewalten was wann wie gemacht wird.

Doch dann kam die Sonne und der Sturm flaute ab. Die Schneeschmelze füllte unseren Wasserspeicher wieder auf und ich konnte in den nächsten dreieinhalb Tagen die große Steri-Runde fortsetzen und beenden. Den ganzen Tag Sterilgut überprüfen, säubern, ölen, einpacken und in den Steri schieben, dazu die ganze Dokumentation … ist einiges an Arbeit, die auch recht eintönig sein kann und ich zolle hiermit ganz offiziell meinen Respekt vor den Zentralsterilisationsabteilungen der Krankenhäuser. Ist wirklich ein enormer Organisationsaufwand in einem großen Krankenhaus. War aber auch schön mal wieder in OP-Sieben rumzukramen und Instrumente auszuprobieren. Und wie vor 6 Monaten war ich überrascht, was ich doch alles an Instrumenten hier im Eis zur Verfügung hab.

Während ich mich im OP voll und ganz meinem Sterilisator widmete führten meine Kollegen diverse Außenarbeiten durch. Sie setzten dabei Messstationen hoch, überprüften seismologische Stationen und führten die monatliche Meereismessung durch. Und bei allen diesen Arbeiten wird ausgiebig im Schnee gebuddelt …

Buddeln für die Forschung (Ina Wehner)

Am 12.10.2020 war es dann soweit. Der Eisbrecher „Polarstern“ kam von der MOSAiC-Expedition zurück nach Bremerhaven. Auch bei uns am andern Ende der Welt ein Grund zur Freude. Trotz aller Widrigkeiten war die Expedition ein voller Erfolg und alle Kollegen sind heil zurückgekehrt. Die alte Dame Polarstern wird jetzt in der Werft wieder aufgehübscht und dann voraussichtlich am 20.12.20 von Bremerhaven Richtung Antarktika aufbrechen und hoffentlich am 18.01.21 bei uns an der Schelfeiskante der Atka-Bucht eintreffen. An Bord das neue Überwinterungsteam 2021 nebst Technikern und Wissenschaftlern. Wegen Corona ist der Flugverkehr in Antarktika eingeschränkt worden, die meisten Stationen werden per Schiff mit Personal und Fracht versorgt. Die Sommersaison ist dadurch deutlich kürzer geworden und unsere Isolationsphase dafür um zweieinhalb Monate länger. Normalerweise würden Anfang November die ersten „Sommergäste“ auf Neumayer eintreffen. Stattdessen werden voraussichtlich lediglich ein oder zwei Basler-Flugzeuge auf ihrem Weg von Südamerika nach Novo zum Auftanken bei uns zwischenlanden, das Ganze aber unter strikten Hygienevorschriften unter Vermeidung von näheren Kontakten zu den Piloten. Antarktika muss coronafrei bleiben … und deswegen gibt es einen wohlüberlegten Plan mit Hygiene- und Quarantäne-Bestimmungen, der vom AWI ausgearbeitet wurde.

Social Distancing nach 9 Monaten Isolation …

Die Sonne scheint inzwischen schon 18 Stunden, in knapp zweieinhalb Wochen beginnt der Polartag. Die Sonnenstrahlen wärmen jetzt auch und die Temperaturen schwanken zwischen minus 10 und minus 20 Grad. Statt Erfrierungen gibt’s Sonnenbrand im Gesicht, der Sunblocker ist noch ungewohnt und wird manchmal vergessen. Der Frühling ist da und auf einem Eisberg habe ich sogar den Blütenkelch einer Blume entdeckt … in polarweiß mit leichtem eisblau Schimmer.

Auf dem Meereis findet man immer irgendwelche Eisformationen, die wie Skulpturen ausschauen. Und je nach Sonnenstand und Schattenlänge variieren sie Form und Farbe. Mit Gletscherbrille funkeln blanke Eisbrocken wie Diamanten im Sonnenlicht, beim Absetzen der Brille zum Fotografieren ist es dann aber so hell, dass das Funkeln in den Hintergrund tritt. Nachfolgend ein paar Bilder von Eisbergen … ich bin definitiv ein Eisberg- und Meereis-Fan.

  • Fisch-Eisberg
  • Nasen-Eisberg
  • Eiskristall
  • Watzmann-Eisberg
  • Der brütende Henne-Eisberg
  • Koloss in eisblau

Der Fisch-Eisberg, der Nasen-Eisberg, der Eiskristall, der Watzmann-Eisberg, der brütende Henne-Eisberg, der Koloss in eisblau (Fotos: Klaus Guba). 

Bin gespannt ob noch jemand andere Formationen in den Eisbergen erkennt …

Auf Bitte unserer südafrikanischen Kollegen statteten wir der SANAP Summer Station einen Kontrollbesuch ab. Die südafrikanische Sommerstation befindet sich ca. 5 km nördlich von Neumayer III in Nähe unseres Winterlagers und dient uns bei der Überwinterung als Notfallstation, falls Neumayer unbewohnbar werden würde. Zum Teil wurden für die Sommerstation ehemalige Container beim Rückbau der alten Neumayer-Station II verwendet. Während der Überwinterung kontrollieren wir die Station regelmäßig, allerdings in der Regel ohne Fotodokumentation. Nachfolgend ein paar Bilder von der Station … im Inneren wirkt es bei Taschenlampenlicht, ohne Heizung und ohne Menschen etwas „spooky“ und ich musste an Januar zurückdenken, als uns die Südafrikaner zum gemeinsamen Grillen auf ihre Sommerstation eingeladen hatten. Damals war die Station voller Leben … und diesen Sommer wird sie aufgrund von Corona vermutlich leer bleiben. Eine Geisterstation im ewigen Eis …

  • Ansicht aus Westen
  • Auf der Platform
  • Gang im Schlaftrakt
  • Haupteingang mit etwas Schnee im Gang
  • Kombüse
  • Messe
  • Blick aus Norden
  • Blick aus Süden
  • Blick aus Westen

Ansicht aus Westen, Auf der Platform, Gang im Schlaftrakt, Haupteingang mit etwas Schnee im Gang, Kombüse, Messe, Blick aus Norden, Blick aus Süden, Blick aus Westen (Fotos: Klaus Guba).

Aber ansonsten kehrt das Leben zurück in die Antarktis. Die Kaiserpinguine ziehen fleißig ihren Nachwuchs auf und die Skuas (große Raubmöwen) kreisen auch schon wieder über der Kolonie auf der Suche nach toten Küken. Bei steigenden Temperaturen verteilt sich die Pinguinkolonie in mehrere Einzelkolonien mir regem Individualverkehr zwischen den Einzelkolonien. Ich habe das Gefühl, dass die Pinguine froh sind der Enge des Huddels bei schönem Wetter entfliehen zu können und es genießen sich in der Bucht zu verteilen. 3 km östlich der Pinguine dösen in der Nähe von Eisspalten Weddell-Robben in der Sonne. Frühling in Antarktika … auch eine besondere Zeit. Bei dem Anblick frage ich mich, ob sich das die Tiere hier auch denken, wenn jetzt öfters Zweibeiner in roten Teddybäranzügen mit Kameras und Teleobjektiven vorbeikommen … zumindest die Pinguine kommen ja immer ganz neugierig auf uns zu, wenn sie uns erblicken. Nachfolgend ein paar Bilder der Tierwelt aus angemessener Entfernung und zum Teil mit Teleobjektiv …

Stolzes Pärchen (Klaus Guba)

Synchron-Posen (Klaus Guba)

Kindergarten unterwegs (Klaus Guba)

Pinguin Expressionismus im Schnee (Klaus Guba)

Robben an der Schelfeiskante (Klaus Guba)

Panorama mit Robben (Klaus Guba)

Sonne auf dem Bauch (Klaus Guba)

Was gab’s sonst noch für Höhepunkte dieses Monat? Am 22.10. durfte ich bei den Science Days Digital mitmachen und mich eine Stunde lang mit Schülern und Lehrern über das Leben und Forschen auf der Neumayer-Station III telefonisch austauschen. Es war sogar eine deutsche Schule aus Boston/USA mit dabei. Hat jedenfalls viel Spaß gemacht dabei mitzuwirken. Und die Stunde ist wie im Flug vergangen …

Abschließen möchte ich für heute mit einem Bild vom Lenkdrachen aus. Es ist inzwischen wieder deutlich wärmer beim Kiten und demzufolge macht es auch wesentlich mehr Spaß, wenn es Zeit, Wetter und Wind zulassen. Beim letzten Mal ist mir ein Bild geglückt, das unseren begrenzten eisigen Mikrokosmos hier als kleinen Eisplaneten darstellt …

Eisplanet (Klaus Guba)

Leider gab es aber inzwischen einen Ermüdungsbruch bei der Kameraaufhängung und erneut bei einer Querstrebe des Drachens … auch das ist Antarktika: Das Material wird hier auf’s äußerste strapaziert und man muss immer wieder mit Reparaturen rechnen. Aber auch dieses Problem wird gelöst werden und der Kite wieder fliegen …

Bis zum nächsten Mal … bleibt’s gsund, viele Grüße an alle Blogleser und Extra-Grüße an unsere Familien und Lieblingsmenschen zuhause.


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