Liebe AtkaXpress Fans,
seit dem 31. Juli 2020 sind wir, die 41. ÜWI Mannschaft im Einsatz für das AWI und die Reederei Laeisz.
Von Peter, unserem Arzt/Stationsleiter und Theresa, unserer IT- und Funk-Spezialistin, ist schon einiges berichtet worden.
Um ein kleines Resümee zu machen, werde ich ein wenig aus der Vorbereitungszeit, meiner Arbeit und der Station, unserem aktuellen Zuhause für 13 Monate, erzählen. Jedoch vorab wollt ihr, davon gehe ich aus, wissen wer ich bin:
Ich bin Tanguy Doron, 53 Jahre jung, komme ursprünglich aus Vendôme, einer kleinen Stadt im Herzen der Loire-Schlösser in Frankreich und lebe seit 1985 in Deutschland. Genauer gesagt in der Domstadt Freising in Oberbayern. Seit 1983 bin ich in der Gastronomie tätig. Von 1998 bis 2018 war ich in der Gastronomie selbstständig, habe dann zwei Jahre in der Schweiz als Küchenchef gearbeitet, bis ich meinen Traum ausleben durfte, hierher zu kommen.
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Fischfreitag, Tanguy beim Servieren (Paul Ockenfuß)
Und jetzt geht es an die Erzählung zu unserer Vorbereitung und meiner Arbeit: Am 31. Juli 2020 haben wir uns alle zehn ÜWI’s, zum ersten Mal getroffen: Jess, die Botanikerin, sorgt für frisches Gemüse. Theresa kümmert sich um die IT und ist als Funkgenie im Einsatz. Linda, unsere Luftchemikerin, macht die Luft besser. Peter, der Arzt, kümmert sich darum, dass wir gesund bleiben. Florian und Markus sind beide Ingenieure und das Herz der Station. Ohne die beiden geht es hier nicht. Paul, der Meteorologe, behält immer den klaren Blick und gibt uns schönes Wetter. Timo und Lorenz sind für die Geophysik unterwegs. Mit ihnen wissen wir immer wo was los ist, auf und zwischen den Kontinentalplatten. Und ich, der Koch, sorge für volle Mägen und gute Laune.
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Abschlussbild aus den österreichischen Alpen (Tanguy Doron)
Erstmal haben wir uns alle kennengelernt und sind zusammengezogen (meine erste WG!). Danach haben wir jede Menge Kurse am AWI besucht und viel, sehr viel gelernt. Mitte August sind wir dann für die Bergrettungsübung in die österreichischen Alpen gefahren. Vor Ort haben wir Andi und Hansi, unsere beiden Bergführer, kennengelernt und haben jede Menge Übungen gemacht, um den Umgang mit den Bergen, jedoch vor allem mit dem Eis, den Gletschern und Gletscherspalten zu erlernen. Wir mussten lernen uns selber und die Kollegen zu retten, sich richtig abzuseilen, hochzuseilen und auf dem Gletscher bei jedem Wetter für den Notfall zu zelten. Es war beeindruckend, sehr lehrreich und wichtig zu wissen, um hier in der Antarktis, am Ende der Welt, zu überleben.
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Der Auslauf des Gletschers am Taschachhaus (Tanguy Doron)
Zurück in Bremerhaven, unserem neuen Zuhause und Arbeitsplatz bis Ende November, hatte sich die Truppe tagsüber nur wenig gesehen, jeder von uns war in seinem Bereich gefordert. Teilweise sind immer wieder ein paar von uns auf Dienstreise gewesen. Trotz allem haben wir fast immer zusammen gefrühstückt und das Abendessen zu uns genommen. Ich habe auch schon dort angefangen für uns alle zu kochen. Letztendlich ist es wichtig zu sehen, was gegessen wird und was nicht, um meine Planung besser machen zu können.
Nach ein paar Wochen sind wir dann gemeinsam an die Ostsee gefahren. Na ja, nicht um Urlaub zu machen, sondern um unsere Brandschutzübung auf dem Gelände der Deutschen Marine zu absolvieren. Eine aufregende Woche haben wir dort verbracht. Üben, üben, üben, denn einmal in der Antarktis angekommen, sollten wir alles selber machen können. Hier gibt es keine Polizei, Feuerwehr, Krankenhäuser oder so. Hier müssen wir uns selber zu einhundert Prozent helfen können.
Wenn wir schon darüber reden, Peter und ich durften, Peter etwas ausgiebiger, ich nur für eine Woche, ein Praktikum beim Zahnarzt machen. Auch in diesem wichtigen Bereich sollen wir uns selber helfen können. Zusätzlich zu dem Zahnarzt, haben wir, Peter, Timo und ich, Peter wieder für längere Zeit, Timo und ich für je zwei Wochen, im Bremerhavener Klinikum Reinkenheide in der Notfallaufnahme und in der Anästhesie unser Praktikum absolvieren dürfen. Ein sehr spannendes Praktikum.
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Ich als Zahnarztgehilfe (Tanguy Doron)
In der Zeit in Bremerhaven war ich sehr oft im Büro. Meine Aufgabe war es, anhand der Inventarliste über den Proviantbestand auf Neumayer eine Bestellung für Speisen und Getränke für 14 Monate, acht davon mit zehn Personen und der Rest der Zeit für bis zu siebzig Forscher, Techniker und die neuen ÜWI’s einzuplanen.
Eine, auch für sehr erfahrene Profis, nicht alltägliche Aufgabe. Ich musste an alles denken, jedoch hatte ich die Möglichkeit, ehemalige ÜWI’s um Rat zu fragen. Die 41. Überwinterung ist was ganz Besonderes, denn dieses Jahr, aufgrund der Pandemie, sollten wir mit der Polastern direkt von Bremerhaven Richtung Neumayer III in die Antarktis fahren. In gewöhnlichen Jahren wird von Deutschland aus nach Südafrika geflogen und dann von dort aus weiter in die Antarktis. Der Proviant wird dann per Schiff, zum Teil aus Deutschland und zum Teil aus Südafrika, runter transportiert.
Jetzt kommen wir zu dem Besonderen unserer Überwinterung: Ich musste alles minutiös planen.
Von A wie Ananasdose bis Z wie Zahnpasta musste dieses Mal alles mit uns auf direktem Weg per Schiff transportiert werden. Denn es gab dieses Jahr keinen Zwischenstopp in Südafrika oder zwischenzeitlichen Flugverkehr mit zusätzlichen Proviantlieferungen. Auch keine frischen Produkte, bis auf ein paar Hundert Eier, 600 kg Kartoffeln, ein paar Kohlgemüse, Äpfel und Orangen. Also frische Produkte, die eine einmonatige Reise an Bord eines Schiffes und ein paar Monate in der Station frisch bleiben können. Alles andere war tiefgekühlt, in Dosen verpackt oder getrocknet. Planen, was essen wir, was wollen wir essen und was nicht, wie oft, in welche Variationen, die Menge und vor allem die Vielfalt sollte berücksichtigt werden. Denn leben, essen und kochen am Anfang des Endes der Welt ist eine Herausforderung, die nicht nur der Nahrungsaufnahme dient, sondern zum größten Teil der guten Laune und dem Wohlbefinden der gesamten Mannschaft.
Seit dem 19. Januar, der Zeitpunkt unserer Ankunft, ist es meine Pflicht, mindestens zweimal am Tag meinen Kollegen ein Essen zu servieren: Fisch, Fleisch auch Vegetarisches immer in Begleitung von Gemüse und Sättigungsbeilagen. Ich koche jeden Tag frisch, mittags essen wir oft die Reste vom Vortag und was Frisches dazu. Lebensmittel sind wertvoll und sollen nicht verschwendet werden. Hier zu essen ist ein wenig wie zu Hause oder im Restaurant. Ich liebe es meinen Kollegen was Gutes zu kochen, es kommt auch gut an. Zum Glück haben wir Jess, unsere Botanikerin, die sich um den Garten EDEN kümmert und dort Gemüse, Kräuter und Salat gepflanzt hat und dann auch erntet. Somit bekommen wir regelmäßig etwas Frisches auf den Teller. Sie hat unter anderem Basilikum gepflanzt und es war so viel, dass ich daraus mein erstes Antarktis-Pesto nach Original italienischem Rezept gemacht habe. Es gibt auch Mangold, verschiedene Kohlgemüse, sehr leckere Tomaten, Gurken, Minze und andere Kräuter.
Eines ist sicher, hier am Anfang des Endes der Welt, auf dem sechsten Kontinent, im ewigen Eis, wo ein schöner Tag sich als farbenfrohes Spiel zwischen Himmel und Shelfeis und mit einem Horizont ohne Ende herausstellt und ein schlechter Tag einfach null Sicht bietet, mit Stürmen bis weit über 70 Knoten, ist es die Liebe zum Kochen, die es mir ermöglicht, einen abwechslungsreichen Speiseplan zu kreieren.