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Das Leben am Ende der Welt aus der Perspektive des Kochs – Teil II

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Liebe AtkaXpress Fans,

seit dem 31. Juli 2020 sind wir, die 41. ÜWI Mannschaft im Einsatz für das AWI und die Reederei Laeisz.Letztes Mal habe ich angefangen zu erzählen, was ich hier auf der Neumayer Station III alles machen darf. Es gibt noch viel mehr zu erzählen – Jetzt aber erstmal an die Arbeit.

Meine Aufgabe besteht nicht nur darin das tägliche Brot zu backen, zu kochen und mir darüber Gedanken zu machen, was ich den nächsten Tag vorbereiten will, sondern es ist noch mehr als das: Ich frage meine Kollegen nach ihren Speisewünschen, sprich was sie gerade diese Woche essen wollen. Ich backe regelmäßig Kuchen, mache Eintopf, Braten und einmal im Monat, immer an einem Sonntag, gibt es Käsefondue. Darauf freuen wir uns alle, und wenn es wieder frisches Gemüse gibt, wird das besonders zelebriert. Ich muss aber auch die Vorbereitungen für den kommenden Sommer in Angriff nehmen. Für alle Gerichte, die ich mache, bedeutet das Mise en Place machen, also vorkochen, einvakuumieren und einfrieren, sodass alles in einzelne Portionen gepackt ist. Denn wenn die Sommergäste kommen, gibt es deutlich mehr Arbeit. Dann darf ich Kollegen das Frühstück von 7 bis 8 Uhr, eine Brotzeit um 10 Uhr, Mittagessen von 12 bis 13 Uhr, um 14 Uhr Kaffee und Kuchen und dann um 18 Uhr das Abendessen servieren. Im Winter bereite ich den Proviant in Kisten für verschiedene Traversen vor, die dann im Sommer stattfinden.

Kennenlern-Dynamik der Küken in der Atka Bucht (Foto: Tanguy Doron)

Kennenlern-Dynamik der Küken in der Atka Bucht (Foto: Tanguy Doron)

Mittags versuchen wir – soweit es geht – gemeinsam zu essen. Es ist natürlich keine Pflicht: Jeder hat einen anderen Tagesablauf und nicht jeder kann pünktlich zum Essen kommen. Aber ich bin da und wer später kommt, bekommt auch dann noch was zu essen. Abends essen wir immer zusammen. Es ist wichtig, dass wir uns jeden Tag sehen, uns über die Arbeit aber auch über persönliche Dinge unterhalten. Währen des Essens besprechen wir auch verschiedene Anliegen, die angegangen werden müssen. Viele Projekte müssen ständig laufen, dafür benötigen einige Kollegen Hilfe. Dementsprechend wird von uns allen die notwendige Hilfe zugesichert. Das ist das Einmalige an der Antarktis, aber mehr dazu später.

Ich räume auch alle Lager, den Tiefkühlraum und den Kühlraum komplett auf, nehme den gesamten Bestand an Lebensmitteln und Getränken auf, erstelle entsprechende Listen, ordne sie nach Lagern ein und erstelle ein neues Warenwirtschaftssystem, damit man immer alles genau im Blick hat. Dadurch kann ich meinem Nachfolger eine Inventur übergeben und ich sehe dadurch auch immer genau was nachbestellt werden muss und was nicht. Geburtstage und Feiertage feiern wir auch. Es ist immer wieder schön, sich für solche Anlässe schick anzuziehen und etwas Besonderes zu essen. Der wichtigste Feiertag auf der Antarktis ist Mittwinter am 21. Juni, der unter anderen der Geburtstag von Georg von Neumayer ist. Er wird überall auf dem Kontinent gefeiert und jede Station sendet Grüße mit Bildern der jeweiligen Überwinterung. Es ist wirklich wunderschön.

Winterlager und Tafeleisberg (Foto: Tanguy Doron)

Winterlager und Tafeleisberg (Foto: Tanguy Doron)

Salz: Wir haben tatsächlich unser erstes Antarktis Salz auf natürliche Weise selbst geerntet und getrocknet. Eine tolle Sache, wir sind alle davon begeistert! Natürlich genießen wir die einmalige Chance hier sein zu dürfen, hier zu arbeiten, hier in Kontakt mit der Natur in ihre Einfachheit und Schönheit zu sein. Ein bisschen Freizeit gönnen wir uns auch: Wir gehen dann zu unseren Nachbarn – einer riesigen Kaiserpinguin-Kolonie – setzen uns dorthin und beobachten mit vollem Elan und Begeisterung diese wunderschönen Lebewesen.

Was bedeutet es, den Kollegen bei ihren verschiedenen Aufgaben zu helfen? Für mich persönlich ist es die Möglichkeit, etwas zu entdecken, etwas zu lernen, was ich sonst niemals machen könnte. Mit Linda messen wir die Schneedichte, mit Peter fahren wir mit dem Pistenbully, um die verschiedenen Wege zu multiplen Außenposten neu zu beflaggen und mit Paul nehmen wir Meereisbohrungen vor oder bringen Bojen auf dem Meereis an, um noch mehr meteorologische Parameter zu erfassen oder die Eismassenbilanz zu messen.

Peter und Tanguy bei der Arbeit auf dem Schelfeis (Foto: Peter Jonczyk)

Peter und Tanguy bei der Arbeit auf dem Schelfeis (Foto: Peter Jonczyk)

Schlusswort: Das Erlebnis, die Möglichkeit bekommen zu haben, hier zu sein, zu arbeiten, mein Wissen zu erweitern, die Kollegialität, das enge aufeinander leben und zusammen arbeiten ist das Tollste, was ich jemals im Berufsleben erleben durfte. Ich habe wieder gelernt, die kleinen Freuden des Lebens zu schätzen und dass wir im Überfluss leben. Wenn wir alle so denken würden, hätten wir eine noch schönere Zeit auf der Erde und wir müssten uns weniger um den Erhalt unseres Planeten sorgen.


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