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Von nichts kommt nichts…

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…und mit diesem Satz beschrieben schon die alten Römer, dass Arbeit sich auszahlt. Und das trifft besonders auch hier auf das Leben auf der Neumayer-Station III zu. Um ein weitgehend gewohntes Leben hier führen zu können muss man Arbeit dafür investieren.

Dass ich mein Handy an der Steckdose einfach laden kann, ich täglich in der Lage bin meine Mails abzurufen, ja und dass ich bei -40° Kälte hier drinnen warm duschen darf wann immer ich es möchte: Alles ist hier auf engstem Raum in einer menschenfeindlichen Umgebung fernab jeglicher Zivilisation möglich und hat immer seine Ursache.

Ich darf dazu die Station mit einer kleinen Stadt vergleichen: Es gibt ein Wasserwerk, ein Elektrizitätswerk, ein Heizkraftwerk, eine Kläranlage, eine Wäscherei, einen Arzt, einen Drogerie-, Lebensmittel und Heimwerkermarkt u.v.m. Die SB-Tankstelle hat immer offen, ebenso wie das Fitnesscenter, das Kino, der Kiosk, das (aktuell französische) Restaurant und das Krankenhaus. Alle Fahrzeuge bringt man hier in die Werkstatt, wie woanders auch, wo dann die Inspektionen und auch schwierigste Reparaturen gemacht werden. Und das alles für aktuell 28 Einwohner!

Die Infrastrukturliste wäre eigentlich noch viel länger! Heute aber möchte ich einmal auf nur einen dieser Punkte eingehen, der uns wie selbstverständlich mittlerweile hier vorkommt:

Das Wasser.

Getränkezapfhähne für Trinkwasser mit und ohne Kohlensäure in der Messe (Speisesaal)

Getränkezapfhähne für Trinkwasser in der Messe (Speisesaal) (Foto: Peter Jonczyk)

Auch auf der Neumayer-Station 3 wird, wie woanders auch, Wasser in Trinkwasserqualität benötigt. Auch hier wird gekocht, abgewaschen, geduscht und die Zähne geputzt. Wasser wird fast überall hier benötigt. Auch manche Labore benötigen Wasser und auch der Autoklav zum Sterilisieren des medizinischen Inventars im Hospital ist durstig. Da die Luft hier in der Antarktis sehr trocken ist, wird auch viel Wasser getrunken. Wasser, welches mit und ohne Kohlensäure im Speisesaal einfach aus dem Zapfhahn rund um die Uhr zur Verfügung steht. Wir haben es einfach Atka Quell getauft.

Ja, aber wo kommt das Wasser her?

Die russische Wostok-Station liegt in fast 3500 m Höhe in der Zentralantarktis. Hier hat man nur minimale Niederschlagsmengen (und damit kaum Neuschnee). Der Schnee ist dort bei oft -60° bis -80°C so gefroren, dass er nur mit Kettensägen bearbeitungsfähig ist. Schneeschippen wie bei uns geht dort einfach nicht. Das Trinkwasser muss deswegen bis heute in mühsamer Handarbeit mit Kettensägen in Eisblöcken geborgen und geschmolzen werden. Wir haben es da deutlich einfacher!

 

 

 

Schneeflocke in der Atkabucht

Schneeflocke (Foto: Thomas Sterbenz)

Die Schneeflocken hier in Küstennähe fallen als Neuschnee viel häufiger als im antarktischen Hochland. Dazu kommt der Driftschnee, der sich mit dem hier typischen Wind immer wieder um die Station im Luv und Lee anhäuft. Durch die bodenhohe Klappe lässt sich das Schmelzbecken mit dem Schild der Pistenbullies im Vergleich zur Wostok-Station verhältnismäßig einfach befüllen. Eine tatsächliche Quelle gibt es hier ja nicht. Das Befüllen der Schneeschmelze muss in der Regel im Winter einmal täglich und im Sommer zweimal täglich erfolgen.

 

Schneeschmelze in der Polarnacht bei -40° Cel.

Schneeschmelze in der Polarnacht bei -40° Cel. (Foto: Peter Jonczyk)

Die Techniker müssen beim Befüllen des Schmelzbeckens darauf achten, nur sauberen Schnee ohne Verunreinigungen (z.B. Pinguinkot) zu befüllen. Dies könnte sonst zu einer Bakterienbelastung des Trinkwassers führen.

Der Schnee wird im Schmelzbecken nun über die Abwärme des Blockheizkraftwerkes erwärmt und getaut. Natriumbikarbonat und Calciumchlorid werden anschließend dazu dosiert. Durch UV-Lichtstrahlen wird das Wasser nun entkeimt. Der Gehalt an z.B. Natrium, Kalium und Calcium wird dabei regelmäßig in einem externen Labor kontrolliert.

Die Anschlüsse zum Injector werden gewechselt, wo Natriumbikarbonat und Calciumchlorid in das Wasser dosiert werden

Die Anschlüsse zum Injector werden gewechselt, wo Natriumbikarbonat und Calciumchlorid in das Wasser dosiert werden (Foto: Peter Jonczyk)

Einmal monatlich entnehme ich Wasserproben an verschiedenen Stellen und führe eine mikrobiologische Trinkwasseruntersuchung durch, um die Qualität des Wassers zu überprüfen. Im Verlauf diesen Jahres habe ich hierbei nie negative Auffälligkeiten beobachten müssen.

Nun ist es an der Zeit das Wasser in seiner überprüften Form in der Messe (Speisesaal) zu zapfen. Ich muss sagen es schmeckt sehr gut und ist in der trockenen Antarktisluft ist es ein sehr guter Durstlöscher!

Die Getränkeleitungen der Zapfanlage werden zudem monatlich hygienisch von mir gereinigt und desinfiziert.

In der Küche wird auch viel Wasser gebraucht, zum Kochen und für das Abspülen. Bevor das Wasser nun von all den Verbrauchern in die hauseigene biologische Kläranlage geleitet wird, gibt es speziell für das aus der Küche kommende Wasser einen Fettabscheider und einen Grobstofffilter: Hier wird das Brauchwasser von Speiseresten vorgereinigt.

Schwimmende Verunreinigungen werden nun vom gesamten Brauchwasser mit einem Rechen zerkleinert und danach wird das Abwasser in der biologischen Kläranlage mit Hilfe von Filtern und Bakterien letztendlich auf Trinkwasserqualität gereinigt. Natürlich wird es danach nicht wieder getrunken. Aber es dient uns in dieser Form („Filtratwasser“) zum Spülen der WC-Einrichtungen noch ein zweites Mal.

Filtratwasser wird aus dem Vorratstank zur Wasseranalyse im Labor entnommen

Filtratwasser wird aus dem Vorratstank zur Wasseranalyse im Labor entnommen (Foto: Peter Jonczyk)

Der Wasserkreislauf schließt sich

Überschüssiges Wasser aus dem System wird mit Genehmigung des Umweltbundesamtes wieder ins Eis zurückgeleitet. Damit schließt sich der Kreislauf.

Bis auf die Wasseranalyse im Hospitallabor und die Reinigung der Getränkeleitung werden alle Schritte des Wasserweges von unserem tüchtigen Stationsingenieur Florian gesteuert und täglich kontrolliert.

Von nichts kommt nichts! Nach der Überwinterung ist es mir ein wichtiges Bedürfnis, ihm dafür in dieser Form zu danken, denn es ist ein verantwortungsvoller und oft sehr geruchsintensiver Job.

Der Jahreskreislauf schließt sich

Ähnlich wie der Wasserkreislauf hat sich nun für uns Überwinterer auch der Jahreskreislauf geschlossen: Die ersten 27 Sommergäste trafen ab dem 5.11. mit dem Polarflugzeug ein und auf der Station herrscht wieder ein emsiges Treiben der Wissenschaftler und Techniker. Das 9-köpfige Team, welches dieses Jahr die fast 3000 m hoch gelegene deutsche Kohnen-Station aufsucht, ist mit einem langen Tross an Kettenfahrzeugen und einem Skidoo am 24.11. auf die fast 800 km lange Reise aufgebrochen.

Wir schicken Euch eine wunderschöne Schneeflocke aus der Atkabucht und wünschen einen schönen Advent!

Schneeflocke

Schneeflocke (Foto: Thomas Sterbenz)

Euer Peter Jonczyk


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