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Von den Kottasbergen zur Kohnen-Station

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Ein Beitrag von Peter Köhler (Glaziologie):

Nach der Kottasberge-Grillpause (an der lief übrigens auch die Dusche in unserem luxuriösen Wohncontainer) ging es problemlos in einem Rutsch den Berg hoch auf das antarktische Inlandplateau. Wir erklommen einen Kilometer, von zuvor 1450m auf nun 2450 Höhenmeter. Langsam, aber stetig. Klaus, unser “Bergdoktor”, kontrolliert regelmäßig bei uns Puls und Sauerstoffsättigung, um frühzeitig zu sehen, ob jemand an Höhenkrankheit leidet. Einige leiden durchaus, und Kopfschmerzen sind ein oft gesehener Begleiter. Einmal oben sind recht bald – zur ersten Nacht – die durch das Höhenklima zusätzliche Temperaturabnahmen spürbar. An einem frischen Morgen wissen wir nicht, wie kalt genau es nachts war, weil unser Thermometer erst bei -32°C beginnt, der Pegelstrich stand jedoch tiefer. Die frühen Stunden auf dem Skidoo werden nun knackig, und an den letzten beiden Tagen der Traverse hilft uns Pepe, der Koch, beim wissenschaftlern. Somit machen wir zu dritt einen Job für zwei, was bedeutet, einer von uns kann sich immer an der Heizung im Wohncontainer aufwärmen, während die anderen tapfer die Daten ablesen. Am Ende der Traverse werden wir 430 neue Pegelstangen gesetzt haben und von insgesamt 1090 Stangen die GPS-Positionen eingelesen haben.

Jeder Punkt eine der 1090 Pegelstangen der Traverse. Die Hintergrundfarbe stellt die Fließgeschwindigkeit dar (nach MEaSUREs in QAntarctica32), Abbildung von Peter Köhler.

 

Zusätzlich bohren wir noch jeden Abend ein Schneeloch, um über Volumen und Massenbestimmung die Schneedichte zu erhalten. Die unterschiedlichen Methoden hierzu haben wir ja alle ausführlich an Neumayer in unseren Vorbereitungswochen erlernt und getestet. Glücklicherweise funktioniert unser neues Schneedichtemessgerät, mit dem diese Arbeit in 5 min. erfüllt ist, einwandfrei, und wir kommen darum herum, nach einem anstrengenden und kalten Tag im Freien auch noch einen Schneeschacht zu graben.

Ich setze die letzte der 430 neuen Stangen und Klaus hat den Schneedichtemesser im Einsatz. Fotos: Peter Köhler.

 

Der Temperaturabfall nach Kottas wird zum Glück durchgehend von blauem Himmel und Sonnenschein begleitet. Somit wird die Sitzposition zur Sonne maßgeblich für die Bereiche, die als erstes vereisen. Bei mir fast immer der rechte Fuß, der nach Süden zeigt, aber die Sonne steht hier in der Südhalbkugel ja mittags im Norden, eine Tatsache, an die man sich als Europäer auch erst gewöhnen muss. Neben dem typischen roten AWI-Kälteanzug ziehe ich nun die alternativ verfügbaren Daunenjacke und -hose an, die noch ein bisschen besser wärmen. Gesichter werden auf dem Skidoo komplett vermummt, und man atmet durch einen Gesichtsschal. Nicht hauptsächlich damit die Atemluft angewärmt wird, sondern damit dem Gesicht der eisige Fahrtwind erspart bleibt. An Wünsche während der Abfahrt an Neumayer denkend (siehe Blog 7) lerne ich nun, dass man auf dem Plateau auf seine Nase nicht wegen der Sonne, sondern wegen der Kälte aufpassen muss. Glücklicherweise ist auf dem Plateau der Schnee für uns Skidoofahrer wieder ziemlich optimal, so dass wir schneller als die Karawane vorankommen und ausgiebig Zeit fürs Sonnenbaden bleibt – auch wenn nicht viel Haut herausschaut – dennoch eine willkommene Pause, insbesondere in windstillen Zeiten.

Die Gesichter sind gut eingepackt gegen den Fahrtwind, aber während der Pause wärmt die Sonne. Fotos: Peter Köhler.

 

Und wie lebt man so zu neunt in sechs Pistenbullies und diversen Anhängern? Nun, alle Bullis, außer “die 30” (der mit Kran) haben hinter der Fahrerkabine eine 1-Zimmerschlafkoje, in denen fünf von uns in Einzelzimmern nächtigen. Nachts werden die Maschinen mit Stromkabeln an den immer laufenden Generator angeschlossen, und die Elektroheizung besorgt mollige Wärme. Tagsüber haben bei dem Sonnerschein die Bullifahrer übrigens mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Sie müssen verschatten und lüften, anderenfalls werden sie in der Fahrerkabine gegrillt. Tobi, der Fahrer der „30“ schläft mit uns Skidoofahrern in einer orangen Kabause, die Platz für 6 hat. Hier lagern – neben uns des nachts – hauptsächlich die Notmedizin und Nahrungsmittel, die nicht eingefroren werden sollen, und wir heizen auf konstante 8-12°C. Pepe, der Koch, hat ein Einzelzimmer direkt hinter der Küche in unserem blauen Luxuswohnschlitten, in dem wir uns zu den Mahlzeiten kuschelig zu neunt um den Tisch setzen. Weiterhin gibt es hier die Nasszelle mit schon erwähnter Dusche, die an Kottas aktiv war, und eine heizbare außenliegenden (sprich: die Tür hierzu geht von der Außenwelt ab, so dass den Innenraum des Wohncontainers von Gerüchen verschont bleibt) Toilette, in der wir unsere Notdurft auf normaler Toilettenschüssel sitzend in Plastiktüten verrichten, die wir sodann in ein geruchsdicht verschlossenes Fass entsorgen, dass am Ende der Fahrt als Sondermüll entsorgt werden wird. Geht erstaunlich gut, aber man lernt den Qualitätssprung, den die Erfindung des geruchsfreien Wasserklosett damals der Bevölkerung bescherte, wirklich neu zu schätzen. Auf der Traverse haben wir zusätzlich auch noch die „Villa Sunshine“ aufgestellt, ein Plumpsklo aus Holz, das über einer ausgehobener Schneegrube aufgebaut wurde, und auf der man sich an der frischen Luft niederließ. Da gehen die Geschäfte aufeinmal erstaunlich schnell.

Pepe, der Koch in seinem Revier, unser Esstisch, und die Schlafkabause. Foto: Peter Köhler.

 

Nach 9 Reisetagen – sieben vollen und zwei halben – erreichen wir am Donnerstag, den 02.12.2021 endlich die Kohnenstation. Kurz begrüßt sie uns mit ähnlichem Wetter wie zu unserer Abfahrt an Neumayer – bewölkt und windig. Im Laufe des Tages klart es aber weiter auf, und wir haben weiter Glück mit stabilem sonnigen Hochdruckwetter – aber halt in kalt. Jetzt gilt es, Schnee schippen, um die Eingänge freizulegen und die Station, die im vergangenen Jahr COVID-19 geschuldet nicht geöffnet worden ist, wieder Leben (und Wärme und Energie) einzuhauchen. Bis dahin wohnen wir weiter in unseren mitgebrachten Fahrzeugen.

Ankunft an der Kohnenstation auf 75°S, 0°E im Dronning Maud Land. Fotos: Peter Köhler.


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